Beiträge von Teufelsangel

    Moinsen, und vielen Dank... Ja es hat bei mir jetzt auch ganz schön gedauert, bis ich mal dieses Geschehen angeschaut hab. Ich wusste nur nebulös von großen Seen und das mal Meer da war... um so mehr freue ich mich diese ganzen Infos gefunden zu haben und finde sie auch richtig spannend, auch wenn noch so viel unklar bleibt, wie z.B. die Wasserscheiden auf dem Guyana-Schild. Viele Fragen stehen noch aus, denn wenn man an die Verteilung von Spezies über die Flüsse geht, ist es schon manchmal merkwürdig. Also es lohnt sich sicher die Bassins im Detail anzusehen unter der Fragestellung, wie kommen die Fische dorthin...

    Bis dann lG Magnus

    Nun gehts weiter mit dem Umbau von Südamerika :)

    67-61 Mio Jahre

    Die Zeit der großen Süßwasserentwässerung des Paleo-Amazonas-Orinoco in die Karibik im Norden Venezuelas war nur vorübergehend (~ 67-63 Mio Jahre). In dieser Zeit mag das Mega-Fluss-System aus West-Amazonas, Orinoco, Magdalena und Maracaibo, den Grundstock der künftigen Flüsse gelegt haben und war bedeutend von der Größe. Es wird geschätzt, dass der nördlich fließende Paleo-Amazonas eine größere Wassermenge transportierte und rund 25 % länger war als der heutige Amazonas. Ein Megafluss-System mit einer Menge Raum für die verschiedensten Habitate und Anpassungen, größer als der wasserreichste Fluss den wir heute kennen. Schwer vorstellbar irgendwie...

    Es kam aber wieder anders, denn abermals stieg der Meeresspiegel (um 60-61 Mio Jahre) und überflutete das riesige Gebiet entlang der jungen Anden abermals bis runter nach Argentinien wo das Meer schon mal gestanden hatte. Ebenso drang der Südatlantik wieder in das Paranabecken ein. Es muss schon dramatisch für die etablierten Lebensgemeinschaften eines so großen Gebietes gewesen sein, die mehrere Millionen Jahre alten Lebensräume zu verlieren und sich in den oberen Flüssen zu etablieren. Also da hat sich richtig was verschoben. Es wäre vielleicht mit der Situation zu vergleichen, wenn das Meer heute bis nach Manaus vordringen würde, einen Gedanken, den ich für ziemlich erschreckend halte.

    Zwar sind diese ganzen Geschehnisse langsam eingetreten, sodass die Individuen per se vermutlich keine dramatischen Situationen meistern mussten, allerdings war es für die eingespielten Ökosysteme und die Arten durchaus dramatisch.

    Sicher war das abermals ein starker Selektionsfaktor für die Salinitätsakzeptanz vieler Arten, und sorgte für eine allopatrische Trennung in einem Megamaßstab, und das nun zum wiederholten Male. Wir denken ja über Artbildung nach...

    Es wäre sicher interessant auch mal die rezenten Brackwasserfische zu sichten, die in den Mündungsbereichen der großen Flusssysteme leben...

    Das Parana-System nahm enorm an Größe zu, seit es vor ~ 68-65 Mio Jahren in die Wasserscheide des südwestlichen Paleo- Amazonas-Orinoco-Systems eingedrungen war (Garrasino 1988, Potter, 1997).

    Aus dem Bauch sage ich mal, dass sich durch Senkungen Wasserscheiden so verschoben, und es zu einer gemeinsamen Entwässerung auch nach Süden kam. Diesen Sedimentfluss in Richtung Süden konnte man ab etwa 65-60 Mio Jahren feststellen.

    Abb. 10 Abermals überfluten große marine "Transgressionen" das Andenvorlandbecken und auch das Paranabecken. Man darf annehmen, dass überalle an den Küsten, also auch den Ost Amazonas betreffend marine Invasionen stattgefunden haben. Der Proto-Amazonas entwässert auch nach Süden über das Parana-Bassin in die Invasionszone,


    60 - 43 Mio Jahre

    Vor ca 59 Mio Jahren zog sich das Meer aus dem Bereich der zentralen und nördlichen Anden zurück, und es blieb bis auf kurze und weitaus weniger invasive Episoden des Meeres (~ 30 Mio Jahre) der Bereich des Süßwassers.

    Der Paleo-Amazonas-Orinoco entwässerte weiterhin zu einem Großteil Nordwestlich in das Karibische Meer zu einem Teil über das Paranasystem nach Süden. Möglicherweise war daran auch ein gemeinsame Seenlandschaft wie der Lago Santa Lucia beteiligt, das konnte ich nicht herauslesen.

    Aus dieser Zeit konnte der erste Corydoras als Fossil in Nordwest-Argentinien gefunden werden, Corydoras revelatus.

    https://www.scotcat.com/callichthyidae/c_revelatus2.htm Corydoras revelatus ~ 58 Mio Jahre

    Abb. 11 Entlang der freiwerdenden Vorlandbecken der Anden bilden sich Seen, der Lago Santa Lucia ist eine heutige Fossilienfundstätte.

    Soweit mir bekannt, gibt es in Afrika keine Arten zu den Callichthyidae (auch keine Fossilien), sie scheinen insgesamt auf Südamerika beschränkt, und somit wohl eine Errungenschaft des südamerikanischen Evolutionsgeschehens zu sein, wie die Loricariidae insgesamt.

    Die Verbreitung ist in SA ubiquitär, also sollte es sich um eine Familie aus der Kreidezeit zu handeln, die alle Umwälzungen mitgemacht und eine maximale Verteilung auf dem Kontinent erfahren hat.

    Fossile Hoplosternum wurden in Schichten von vor etwa 25 Mio Jahren gefunden und sind über das Amazonas-System hinaus im abgetrennten Rio Magdalena, im Orinoco-Becken, im Parana-System und auf Trinidad nachgewiesen, wo sie in einem Curry eine traditionelle Speise darstellen. Verzehrt werden sie nach Art von Gambas, in dem man die losgekochte Panzerung abschält... Für so einen Corydorasliebhaber schon etwas bizarr :)

    Es ist aus meiner Sicht durchaus eine interessante Frage, welche Familien sowohl in Afrika, und in Südamerika vorkommen, deren Geburtsstunde dann für mich auf den Zeitraum vor der Trennung der Kontinente zu veranschlagen wäre.

    Da fallen mir spontan Lungenfische (Sarcopterygii), Welsartige (Siluriformes), Knochenzüngler (Osteoglossomorpha) ein, aber auch Cipriniden (Karpfenartige) und Characiden (Salmlerartige), natürlich auch die Buntbarsche (Cichlidae) und ich dachte eigentlich auch die Messerfische..... Die scheinen aber mit den afrikanischen Messerfischen nicht verwandt .... und näher mit den Spatelwelsen verbandelt zu sein... jedenfalls (wenn dem wirklich so ist) eine interessante konvergente Evolution, und da würden mich die Selektionsfaktoren tatsächlich interessieren, die zu dieser Morphologie geführt haben. Irgendwie scheint es immer so zu sein, dass mehr Fragen auftauchen, je mehr man in eine Materie eintaucht. :D

    Satanoperca, Symphysodon, Corydoras und Co sind sicher Kinder von Südamerika, nur wann sie "geboren" wurden ist schwierig zu sagen. Corydoras sind schon mal auf den Zeitpunkt vor dem Ende der Kreide belegt. Schauen wir aber auf die spannenden Änderungen, die sich über die folgenden Jahrmillionen ergeben sollten.

    43-30 Mio Jahre

    Abb. 12 Steigende Anden auch im Norden sorgen für Erweiterung der Andenvorlandseen, es besteht Verbindung zwischen dem Amazonas-Orinoco-Komplex und dem Paranabecken.

    Zunehmend steigen verschiedene Bereiche der jungen Anden auch im Norden und machen die Entwässerung komplexer. Noch fließ das System in den Invasionsbereich des Meeres auf der Ebene des Rio Maracaibo. Schon jetzt haben wir mit der Verbindung der drei Hauptbassins des Orinico, des Amazonas und des Parana-Systems eine Verteilungsebene für Arten nahezu über den gesamten Kontinent, zumindest in Nord-Süd-Richtung. Ich denke das sollte man sich mal merken, insbesondere wenn es um Verteilungen der Arten nach der Abtrennung des Parana-Systems von Amazonas und Co. gehen soll. Erst aber weitete das Parana-Bassin seinen Anteil an den Quellbereichen der Amazonaszuflüsse aus und nördlichere Bereiche entwässerten nun nach Süden, die vormals an gleicher Stelle Richtung Norden flossen..

    LG Magnus

    Moin Elko, du Glücklicher.... warst ja schon mal dort... ich muss das irgendwie noch hinbekommen ;( Na jedenfalls ist das ein schwieriges Kapitel. Ich schaue mir die Arbeit mal an, wenn ich Zeit habe, was die da so vorschlagen und ob es zu den beiden Flüssen oder der Region noch geologische Daten gibt.

    Zu dem Wandel des Orinoco schon mal ein kleiner Hinweis, wie er sich mit dem Andenwachstum gewandelt hat.

    Der hat schon eine Reise hinter sich und eben auch viel Fauna aufgesammelt. Natürlich könnten die Fische in die kleineren Flüsse eingewandert sein... aber lass uns zunächst auf die Historie schauen, was dem Orinico noch so alles Passiert ist :)

    LG Magnus

    Ich schiebe jetzt die nächste Portion nach :)

    Hallo Magnus,

    Ja, die Art ist leider selten geworden.

    Dann habt ihr mich auch erwischt. Ich mag halt die alten Klassiker der Aquaristik.

    Gruß Swen

    Das sind auch meist richtig gute Fische an denen man lange Freude hat :)

    Ralf - ich habe übrigens ein Bild meiner halbstarken Wavrini gefunden... Sie sind jetzt noch gewachsen und in das Große umgezogen 3 Damen und ein Bock... na der hat Stress, alle drei umbalzen ihn und kloppen sich... Echter Zickenkrieg. Ein weiteres Paar habe ich separat, aber der Bock kann die Dame nicht leiden... :rolleyes: Die Farben sind nicht "platystabil", sondern es wechselt je nach Lichteinfall. Das Blau ist eher intensiver geworden und Schwanz sowie Rücken und Bauchflossen leuchten regelrecht. In der Afterflosse sowie in der Dorsale ist ein Hauch von rotviolett zu verzeichnen... je nach Stimmung ist der Körper leicht orange, aber alles sehr pastellig und zart. Es ist genau der Fisch, den ich vor 40 Jahren als Beifang bei meinem Importeur gesehen hatte und gleich hin und weg war.... sehr feine Fische. Ich mache die Tage noch mal Bilder. Aber klar ist, wenn du sie mit 6-8 cm bekommst sind es echt graue Mäuse. LG Magnus

    Hi,

    naja, der Orinoco kann ja durchaus zunächst nach Westen entwässert und sich erst später - nach dem Anheben an der Westküste - um das Guyana-Schild "gelegt" haben.

    Moin, ja Elko, das war auch bestimmt in etwa so.... es gab ab etwa 40 Mio Jahren auch einen "Ost-Orinoco", der die Flüsse aus dem nördlichen Guyana-Schild nach Nordosten entwässert hat. Ich könnte mit Vorstellen, dass der Rio Caura in den Ost-Orinoco entwässert hat, während der Rio Ventuari eher nach Westen zum Paleo-Amazonas-Orinoco geflossen ist und dann gen Norden über das heutige Magdalena-Bassin in die Karibik.... Voraussetzung wäre, dass das Guyana-Schild stabil in den Wasserscheiden geblieben wäre, was ich einfach nicht beurteilen kann. Eigentlich haben so wie ich es gelesen habe die Bögen zwischen den Schilden und der Schubfront die größten Änderungen herbeigeführt.

    Mir erscheinen die beiden Flüsse sehr diametral von der geologischen Ausrichtung, so dass ich denken würde ,dass das nicht die gleiche Art sein kann. Da bist du aber eher der Fachmann als ich, der beurteilen kann, in wie weit einzelne L-Welsarten eher endemisch vorkommen oder ein sehr großes Verbreitungsgebiet haben, was man dann erklären müsste. Das wird später dann noch mal sehr interessant, wenn wir die Entwicklung zu der rezenten Flussarchitektur finden. Bis dahin passiert noch sehr viel... LG Magnus

    Nur bei der Erklärung des Vorhandenseins von ursprünglich salinen Arten (Rochen) fehlt noch etwas. Aber wahrscheinlich greife ich Dir da vor.

    Jup Swen, die bekommen noch viel Gelegenheit sich einzugliedern...

    Zitat

    Nur noch eine kleine Anmerkung/Frage:

    Vorausgesetzt, das Wasser kann irgendwo abfließen, sonst hätten wir ja ein "Totes Meer"?!?

    Ja völlig richtig und der "Zufluss" ist auch nicht zu vernachlässigen. In den Bergen der Anden haben wir verschiedene Seen. Der Titicacasee ist Süsswasser, er hat Zuflüsse und entwässert auch. Der Pooposee ein Stück weiter ist vermutlich ähnlich entstanden (mit samt Meerwasser angehoben), aber verdunstet. Da haben wir den Salzsee, wie es viele entlang der Kordilleren gibt. Er hat keine Zuflüsse und ist auf Regen angewiesen.

    Also im Grunde ein Geo/Klimaspiel, fließt weniger rein, als verdunstet versalzt das Gewässer (primäre Salzwasserfüllung vorausgesetzt), fließt mehr Wasser rein und muss ablaufen, wird er irgendwann zu einem Süßwassersee... oder er ist gleich als See mit der Gebirgshebung angehoben worden

    Abb.9 Anden als Zeitlupenknautschzone den Aufpralls der SA auf die pazifische Platte. Über das Geschehen entscheiden die variablen Schubzonen. die sich entlang der Anden teilweise unterschiedlich verhalten. So variiert die Tiefe des Vorlandbeckens und beherbergt je nach Meeresstand entweder Süßwasser aus den Flusszuläufen des östlichen Vorlandes, wie auch der Quellen in den entstehenden Anden, oder eben bei Meerwasserhochständen der Warmzeiten +/- reines Meerwasser, Brackwasser ... in fließenden Übergängen

    LG Magnus

    .....Das Guayana-Schild gilt als eines der ältesten Gebirge der Erde (ca. 1,7 Mrd Jahre) - ich würde das da doch "zeitig" erwarten. Ich kenne dazu aber keine Literatur...

    ... da lesen schon eine Menge mit. Es gab ja schon fast 600 Zugriffe auf das noch junge Thema. Du legst aber auch ein ganz schönes Tempo vor. I

    Mit dem Guyanaschild und auch dem brasilianischen Schild hast du natürlich Recht, die sind alt. Nach den Infos aus Lundberg entwässern nahezu alle Flüsse vor dem Aufprall der Platten nach Westen. Im Land heben sich nach und nach irgendwelche Bögen, es gibt an anderer Stelle Senkungen, die die ganzen Flussläufe verändern. Wasserscheiden werden verschoben... Leider hat Lundberg nichts zu den "kleineren" Flüssen geschrieben. Im Grunde möchte ich genau dorthin, aber schauen wir mal, was es noch an Literatur gibt, die sich mit kleineren Geographien befasst. Ich schreibe das mal in meine Agenda :saint:

    Zitat

    Ich habe mir daher für nächste Woche Urlaub genommen. ;) (Resturlaub muss bis Monatsende weg.)

    Oh, dann muss ich reinhaun ;)

    Hallo Elko, danke, freut mich das doch noch jemand mitließt. :thumbup: Ich hab jetzt eine Weile gebraucht die Flüsse zu finden. So wie ich die Lage sehe sind sie erst spät mit dem Orinoco zusammengekommen. Hast du eine Quelle für mich, auch um welche Fische es sich handeln könnte? Später wird das sicher noch sehr Interessant.

    Aber ja du hast schon Recht, wir befinden uns momentan auf einer anderen Ebene, die der großen Bassins sind noch lange nicht fertig. Der Orinoco fließt noch gar nicht nach Osten... sondern entwässert in die Karibik. Vermutlich fließen die Beiden auch noch nach Westen, Falls es sie schon gegeben hat. LG Magnus

    Einen großen Anteil an der Artentstehung haben wie beschrieben geologische Ereignisse, die zur Trennung oder Verbindung von Habitaten führen. Die plötzlichen Genom-Mutationen kommen noch hinzu, die sind aber gar nicht vorhersehbar, bzw. wir erlangen davon eigentlich nur durch Genanalysen Kenntnis.

    Weil die Geologie einen erheblichen Einfluss auf die Artbildung hat, möchte hier in Kürze die Reise von Südamerika aus geologischer Sicht erzählen und stütze mich in erster Linie auf die umfangreiche Arbeit von Lundberg.

    Lundberg 1998 ist die Arbeit, die mir hier am meisten bietet. Trotzdem bleibt man als "Nichtgeologe" an der Oberfläche, aber immerhin gibt es einen Eindruck.

    Das Amazonasbecken das wir heute kennen war zu Urzeiten sehr viel größer, bezog als Pan-Amazonische Region die Amazonas, Orinoco, Magdalena-Entwässerung mit ein und reichte in den Einzugsbereich des heutigen Rio Parana weit in den Süden. Auch von dem Megabiotop "Pantanal" darf man sagen es ist der klägliche Rest einer unvorstellbaren Seenlandschaft, die sich vor der endgültigen Umkehr der Fließrichtung des Amazonas und Co im Amazonasbecken selber ausgebreitet hatte.

    Besonders aber sind es die wiederkehrenden drastischen Änderungen, die den Lebewesen immer wieder neuen Selektionsdruck bereiteten. So war das Gebiet Amazoniens östlich zeitweise und wiederholt über Jahrmillionen entlang der frühen Anden von Venezuela über Kolumbien bis Argentinien von Meerwasser überschwemmt.

    Der ganze Kontinent hat solch unglaubliche Wandlungen erlebt, die schon auch in der geologischen Geschichte (mir zumindest) einzigartig erscheinen.

    Vor rund 130 Mio Jahren zerbrach Godwana, in dem die Kontinente Afrika, Australien, Südamerika, Indien und die Antarktis vereint waren


    Abb. 6 Hier die Situation nach der Trennung von Godwana.

    Südamerika driftete westwärts. Alle Flüsse entwässern nach Westen, Entspannung bis...

    Alles hängt mit dem Auftreffen der südamerikanischen Platte auf die pazifische Platte vor rund 90 Mio Jahren zusammen, in Folge dessen Sudamerika insgesamt diese atemberaubende Wandlungen vollzog.

    Heute noch bezeugen Spezies mariner Herkunft wie Rochen und Delfine im Amazonasbecken den Einfluss des Meeres auf die Wasser-Fauna von Südamerika. Die Tatsache dass ein ganzer Kontinent "kippen" kann und sich die Fließrichtung der Hauptflüsse komplett ändert ist schon etwas Besonderes, das ebenso mannigfaltige Veränderungen mit sich brachte, wie die Bildung der Binnenmeere.

    Das vordringende Meer der Warmzeiten vertrieb Jahrmillionen alte Lebensgemeinschaften weit in die höher gelegenen Flussbereiche, trennte die Populationen und ließ sie in Folge ihres Rückzuges wieder aufeinandertreffen. "Innere" Meere erlagen dem gleichen Schicksal wie das Schwarze Meer, wurden abgeschnitten und verloren ihre Salinität.

    Diese rund 100 Millionen Jahre Südamerika und den Einfluss auf die Biologie kann man natürlich nicht ad hoc überblicken (wenn überhaupt), deshalb nehme ich die Struktur aus Lundgard gerne als Leitfaden und beginne mit der Zusammenfassung

    Lundberg vertritt die Meinung, dass sich die Diversifizierung der Fischfauna nicht mit der "finalen" Anhebung der Anden (also vor etwa 10 Mio Jahren) erklären lässt. Vielmehr nimmt er den gesamten Zeitraum der Entstehung der Anden, mindestens aber den ab etwa 65 Millionen Jahren dafür an.

    Vor rund 85 Mio Jahren hatte das Meer im Amazonasbecken einen großen Einfluss, aber auch südlich drang das Meer weit in die Paranaentwässerung ein. So postuliert er einen großen Schub an Artentstehung von den Perioden, als sich wiederholt marine Bedingungen über die Flussmündungen weit in das Landesinnere geschoben haben und die weniger salinintätstoleranten Arten in die jeweiligen Nebenflüsse gedrängt und getrennt wurden (Allopatrie). Die späteren Phasen der Megaseenlandschaften mögen weniger allopatrisch geprägt gewesen sein, die Mollusken erlebten allerdings gerade in dieser Phase eine deutliche Steigerung der Artenvielfalt. Vieles ist noch ungeklärt. Der gesamte Kontinent stand durch das Auftreffen auf die Pazifische Platte unter tektonischem Druck, durch den sich im Laufe der Jahrmillionen mannigfaltige Änderungen der Lebensräume ergaben. Wasserscheiden verschoben sich durch Hebungen wie auch Senkungen im Becken und führten Flusssysteme zusammen und trennten andere. Die späteren Hebungen der Anden und damit verbundene Diversifizierung der Flusslandschaft mag die rezente "Philosophie" der Evolution in Südamerika eingeleitet haben.

    Die grundlegende Diversität der Fischfauna fußt nach Ansicht von Lundberg tief auf endemischen Kladen (Unterteilungen), die sich aus der Kreidezeit (> 60 Mio Jahre) ableiten. Weitere Diversifizierungen von Kladen sieht der Autor im Paleogen (60-23 Mio Jahre)

    Modelle, die einzelne Ereignisse im späten Miozän (20-5 Mio Jahre) betrachten, erachtet Lundberg als unvollständig, da die Entwicklung der Arten in engen Kontext der Entwicklung der Gewässer gewichtet werden muss, in die insbesondere die vielen Ereignisse zu einer allopatrischen Trennung in der Historie zählen müssen. Lange Phasen von Megaseen gaben Zeit zur sympatrischen Artbildung ala Tropheus um wieder getrennt zu werden und sich allopatrisch weiter zu entwickeln. Südamerika wurde im Laufe der Geschichte regelrecht umgekrempelt. Ich versuche das mal so kurz wie möglich zusammen zu fassen.

    Vor etwa 83 Mio Jahren als die Auffaltung der Anden begonnen hatte, bildete sich eine Rinne entlang des jungen Gebirges. Durch angestiegene Wasserspiegel der Meere (Warmzeiten) füllte Meerwasser samt der Fauna einen Bereich, der im Norden über Venezuela westwärts über Kolumbien und südlich bis nach Argentinien erstreckte. Vom Süden her drang das Meer über das heutige Parana-Bassin weit in das Land vor und erreichte nach Norden eine Ausdehnung bis auf die Höhe von Sao Paulo und Rio de Jarero. Die ehemals direkt in den Pazifik mündenden Flussläufe entwässerten nun in die Teile des vorgedrungenen karibischen Meeres.


    Abb. 7 Der westliche und östliche Amazonas sind durch ein Mittelgebirge getrennt, weite Bereiche bis Argentinien sind marin geprägt. Das Meer hat hier das sagen

    Mit dem Rückzug der marinen Einflussbereiche bekamen die Flüsse durch die vorliegenden Rinnen des Andenvorlandes die frühen Seen, sowie die Entwässerung nach Norden in den Pazifik und das karibische Meer, während ebenso Teile des Paleo-Amazonas-Orinico, der noch keine Verbindung zu den östlichen Flüssen hatte, über das Parana-Bassin nach Süden entwässerte (67 Mio Jahre). Partiell blieben Binnenmeere oder Brackwasserbereiche in West-Venezuela und Kolumbien vorübergehend (Mio Jahre) bestehen. Die Salzgehalte gingen durch den Süßwasserzustrom in diese Seen langsam zurück.

    Die Entwässerungsachse entlang der Anden sollte bis ~ 8 Mio Jahren Bestand haben und erst durch die Finalen Hebungen der Anden die Richtung ändern. In der Zwischenzeit sollte noch einiges passieren.


    Abb. 8 Das Meer ist zurück gegangen und macht einem "Proto-Amazonas-Orinoco" platz, der nach Norden in die Karibik entwässert, teils auch über das Paranabassin nach Süden.

    Das alles hört sich ja schon nach schwerwiegenden Änderungen für die Lebewesen an, aber es war irgendwie erst der Anfang... Bis dann liebe Grüße! Magnus

    Hallo Magnus,

    Eine Frage habe ich dann doch noch. Eine Art hat ja auch eine mehr oder weniger große Expansionstendenz, soweit dies der Lebensraum zulässt? Könnte das nicht auch Einfluss auf die Artbildung haben?

    Liebe Grüße Swen

    Moin Swen, von einem messbaren Faktor den man Expansionstendenz nennen könnte habe ich bisher noch nichts gelesen. Sicher ist aber, und damit hast du dann Recht, dass Populationen durch eine gewisse Überproduktion an Nachkommen die Ressourcen stets maximal ausnutzen werden. Wird neuer unbesetzter Lebensraum zur Verfügung gestellt, das bedeutet die Nahrung ist nicht begrenzt und es fehlen noch Feinde, dann kommt es zu einem exponentiellen Wachstum der Population, bis zu der Grenze an Individuen, die ernährt werden können. Durch den Wegfall von Selektionsfaktoren bleiben weniger günstige Mutationen im Genpool (die Auslese ist nicht so streng) und die genetische Variabilität nimmt zu. Wenn später die Population an dem Nahrungslimit angelangt ist, kann die erzielte Varianz eine Artbildung unterstützen, da plötzlich Merkmale einen Vorteil darstellen können. Also irgendwelche Finken auf Galapagos hatten einen etwas größeren Schnabel und konnten bei Nahrungsmangel dickere Samen knacken... Erst der Mangel und damit Selektionsdruck filtert Merkmale und führt zu deren weiteren Ausprägung.

    Ich habe aber vor Jahren (~25-30) mal einen Bericht im Fernsehen gesehen, der berichtete von einem Stoff den junge Fische einer Art abgeben, den sie nicht mögen und der eine Verteilung provozieren soll. Dieser Stoff soll auch das Wachstum behindern, und man versuchte diesen Stoff in gewerblichen Fischzuchten herauszufiltern. Ich habe es aber vergessen was es war. Will sagen Swen, nichts ist unmöglich.... :thumbup: LG Magnus

    Hallo

    Die relative Artenarmut in Europa ist den Eiszeiten geschuldet die Restpopulationen immer wieder am Rand zusammengeschoben haben.

    Gerade bei Reptilien im Vergleich zu Nordamerika deutlich sichtbar.

    Felix

    felixS - Da ist sicher was dran, zumal auch hier wie Messel zeigt tropische Zustände geherrscht haben... Nur lag da die Geographie noch nahe des Äquators.

    Aber gut, ich mache mal weiter....

    Die Artbildung ist das eine Thema, die Wandlung der Arten ist etwas anderes, auch wenn es oft mit einer neuen Art enden mag.

    Alle Organismen unterliegen mehr oder weniger dem Phänomen von Mutationen, die sich auf allen Ebenen der Erbinformation abspielen können.

    So können ganze Chromosomen abhandenkommen, brechen, das Genom kann sich verdoppeln ... dann sind es Genommutationen. Es können aber auch kaum merkliche Mutationen sein, die ein Enzym etwas verändern, es verbessern, oder es verschlimmbessern... Das entscheidet der Wettbewerb, wenn es relevant ist.

    der Versuch das zusammen zufassen...

    Abb. 4 Die Mutation ist zunächst nicht zielgerichtet, sondern "ins Blaue" geschossen, sie passiert einfach und wenn sie in der Keimelle stattfindet, wird sie an die Nachkommen weitergegeben, die sich damit in der Umwelt bewähren müssen.

    Noch mal kurz zurück zu unserer Fragestellung, was ist eine junge Art und warum gibt es in Amazonien so irrsinnig viele verschiedene aber auch wieder fast gleich aussehende Arten. Dazu möchte ich noch mal kurz auf Mechanismen der Artentstehung (grob und unter Verzicht auf alle denkbaren Ausnahmen) zurückkommen.

    Meine Definition von Art ist und wie beschrieben die Fortpflanzungsgemeinschaft, in der sich die Individuen erfolgreich rekombinieren und fruchtbare Nachkommen zeugen können.

    Wir kennen zur Artbildung zwei wesentliche Modelle, die allopatrische und sympatrische Artbildung. Bei der allopatrischen Artbildung (Abb. 3) ist eine vorübergehende oder dauerhafte geografische Trennung einer Population mit einer veränderten Umweltsituation und somit anderen Selektionsfaktoren das Modell. Das Bedeutet, dass aus genetisch sehr ähnlich variierenden Individuen ab der geografischen Trennung verschieden selektiert wird. Vielleicht ein Beispiel... es mag hinken und dient nur der Veranschaulichung.

    Nehmen wir die fiktive Situation an, dass eine Gruppe Beilbäuche in einen Bereich gedrängt würde, in dem die Oberflächennahrung durch einen bestehenden Wettbewerber erheblich besser ausgenutzt würde. Unter den Beilbäuchen "die jetzt relativen Hunger" leiden, haben Diejenigen einen kleinen Vorteil, die in ihrer zufälligen Varianz auch Nahrung deutlich unterhalb der Wasseroberfläche aufnehmen (können).

    Das hochstehende und auf die Aufnahme von Oberflächennahrung spezialisierte Maul ist jetzt nicht mehr "State of the Art", sondern Individuen, deren Verhalten in Verbindung mit einem etwas mehr endständigen Maul können einfach 10 % mehr Laich ansetzen und sich nur etwas effektiver vermehren. Bleiben diese Selektionsfaktoren stabil, wird der Anteil der Individuen mit diesem Merkmal ansteigen und es entsteht mit der Zeit eine Variante, und mehr und mehr eine neue Art. Zusammen mit etwas mehr Strömung im Habitat kommt vielleicht ein Habitus wie von Triportheus angulatus https://eol.org/pages/1012822 heraus. 

    Für Säugetiere soll die mittlere Zeit für eine Artbildung bei 1,4 Millionen Jahren liegen, es dauert also schon etwas. Persönlich halte ich das für etwas lang, aber ich kenne die Daten dieser Annahme auch nicht. Für die Kreuz und Wechselkröte hat eine Eiszeit von ~ 10000 Jahren gereicht, um sie zumindest von Timing der Laichzeit dauerhaft zu trennen, wobei "dauerhaft" für den Zeitraum den wir überblicken natürlich recht lächerlich wirken muss :) Jedenfalls hat es gereicht, um einen uneingeschränkten Genfluss zu erschweren. Es gibt Hybriden, aber nicht im Crossover der Geschlechter und der Nachweis fertiler Nachkommen steht ebenso aus.

    Ist die Trennung also zu kurz für eine Artbildung und es vermischen sich die Populationen bei der Wiedervereinigung der Geographien wieder, kommt es zu einer Zunahme der Variabilität innerhalb der Population und fließt je nach kommendem Selektionsdruck in einen neuen Flaschenhals der Evolution.

    Bei der sympatrischen Artbildung fehlt definitionsgemäß die geographische Isolierung und die Schwesterarten bilden sich in einem gemeinsamen Lebensraum. Wie kann das funktionieren? Gemein mit der allopatrischen Artbildung ist allerdings wiederum eine Trennung der Individuen. Das kann das Verhalten betreffen, oder eine Mutation sein, die eine Mischung in der Fortpflanzungsgemeinschaft unterbindet, oder erschwert.

    Der entscheidende Punkt ist, dass sich Teile der Fortpflanzungsgemeinschaft nicht mehr miteinander verpaaren.

    Mitglieder einer Population beginnen z.B. bei der Partnerwahl äußere Merkmale zu selektieren und haben die Neigung, Partner mit Merkmalen auszuwählen, die sie ebenso tragen. Andere Merkmale werden nicht zugelassen. Die endemisch lebenden Tropheus-Arten im Tangajikasee können Beispiele sein und auch die Zucht von Farbschlägen wäre da einzusortieren, auch wenn da der Züchter der Auswählende ist und natürlich keine Millionen Jahre die Trennung verfolgen kann

    Ein wichtiger Mechanismus der sympatrischen Artbildung ist für mich die spontane Polyploidisierung des Genoms. Die gibt es bei Pflanzen wohl häufiger, aber auch bei den Corydoras gilt sie anzudenken.

    Die genetischen Untersuchungen die in der Arbeit von Alexandrou und Taylor (2011) zusammengefasst sind, zeigten einige Corydoras, die eine polyploides Genom aufwiesen und entsprechend eingeordnet wurden.

    Ich denke dass in der Artenküche des Amazonasbeckens alle Varianten der Artentstehung passiert sind und weiter passieren werden und dass es ein sehr aktives Geschehen dort ist.

    Den größten Einfluss auf die Evolution von neuen Arten haben Veränderungen mit der Verschiebung von Selektionsfaktoren. Not macht eben erfinderisch, auch wenn die "Erfindung" durch zufällige Mutationen schon vorhanden waren.

    Diese Veränderungen werden wir im Detail nicht erfassen können, aber ich habe zur Artbildung im Kontext der geologischen Entstehungsgeschichte zwei Arbeiten gefunden, die mir eine Vorstellung eröffnet haben, was sich abgespielt hat und wie dramatisch die Umwälzungen in Südamerika gewesen sind. Es ist schon klar, dass es sehr viel mehr Arbeiten dazu geben wird, mir langen momentan diese Beiden

    Die eine Arbeit ist die von Hoorn et al. 2010, die sich dem Amazonasbecken widmet, die andere, umfassendere Arbeit ist die von Lundberg et. al. 1998, die die Artentstehung in ganz Südamerika unter dem Gesichtspunkt der Geologischen Veränderungen betrachtet.

    Ich möchte mich den beiden Literaturquellen übersichtsartig nähern, um einen Eindruck zu vermitteln, was sich seit der Abtrennung Südamerikas von Godwana vor rund 100000 Mio Jahren abgespielt hat.

    Wir stehen ja zum Beispiel vor ganz banalen Phänomenen, z.B. wie sich die Fundorte einer Spezies erklären lassen, die sich in nicht korrespondierenden Flusssystemen nachweisen lassen. Wie kommen die dorthin?

    Ein Beispiel sei mir hier mit dem Auftreten von Teufelsangeln der Juruparigruppe in Südamerika gegönnt. Ich meine jetzt wirklich nur die Gruppe "Jurupari", S. daemon, acuticeps, pappaterra etc. sind nicht gemeint.

    Abb. 5 Fundorte von Satanoperca jurupari in den verschiedenen Flusssystemen Südamerikas. (schematisiert)

    Sie sind eigentlich überall zu finden, auch im Rio Parana, der nach Süden ohne Kontakt zum Amazonasbecken entwässert. Wie kommen die dorthin?

    Ein weiteres Beispiel sind die beiden als Geophagus Sveni geführten Erdfresser aus dem Rio Araguaia und dem Rio Parana, die ebenso keinerlei Verbindungen aufzeigen. Da stellen sich insgesamt Fragen zur Verbreitung von Arten und den wechselhaften Bedingungen die der Kontinent verzeichnen sollte.

    Es ist sicher nicht unwahrscheinlich, dass die "Juruparis" und die "Svenis" wohl älter sein müssten als die Trennung der Flusssysteme, wenn sie denn mal zusammen geflossen sein sollten. Sind sie denn einmal zusammen geflossen?

    Das führt zu der interessanten Frage, ob und wann sich etwas an den Flüssen in Südamerika geändert haben könnte... Es hat sich "viel" und "dauernd" etwas geändert.

    Bis dann beste Grüße Magnus

    Den größten Einfluss auf das was wir sehen können hat die Selektion, die Merkmale begünstigt, oder aussortiert.

    So ist oft diese wunderschöne rote Farbe von Fischen gar kein "Schmuck", sondern eine Tarnung, weil rot in einiger Wassertiefe nur noch grau ausschaut, da das Wasser die entsprechenden Wellenlängen herausfiltert, bis wir hinabtauchen und den Fisch anleuchten.... dann isser wieder rot :)


    Es ist faszinierend, dass sehr viele Fische in Amazonien Augenflecken haben. Sicher nicht um uns zu erfreuen, sie täuschen, irritieren, geben sich eine andere Richtung bei einer zu erwartenden Flucht, oder schützen die Augen vor zugriff nicht nur von Augenfressern. Wie oft konnte ich beobachten, dass meine Biotodoma genau auf den Augenfleck losgehen, wenn sie sich gegenseitig "knuffen"... und bei den wunderbar türkisen Wellenverzierungen meiner Satanoperca denke ich immer an gebrochenes Sonnenlicht in den kleinen Wellen und wie sich die Fische so vor dem Untergrund für Vögel optisch auflösen....

    Ich habe mal versucht das in ein allopatrisches Schema zu packen...

    Jede Variation des Schemas ist denkbar, ob die beiden Populationen doch wieder miteinander in einen Genaustausch gehen und die Variabilität erhöhen und doch eine Art mit Standortvariationen bleiben, oder tatsächlich dauerhaft getrennt sind und eine "gute Art" ausbilden.... ob nur an der Grenze der Lebensräume eine Vermischung stattfindet, alles ist möglich...

    Bis dahin liebe Grüße Magnus


    Danke Elko :)

    Moin zusammen,

    Ob die Sortierung der Lebensformen auf der Erde nun sinnvoll ist oder nicht ich weiß es nicht, aber es wurde von Irgendwem begonnen und ein gewisser Charme geht von der Ordnung von Flora und Fauna schon aus. Vielleicht vorweg noch ein Wort zu der "keine 100%-Regel"... Jede Regel hat ihre Ausnahmen, wenn man sich nur mit den Ausnahmen befasst wird man keine Gesetzmäßigkeit erkennen können. Deshalb versuche ich mich auf regelhafte Merkmale eines Modells zu konzentrieren... man verliert sich sonst... :)

    Zu Studiumszeiten habe ich mich sehr für Insekten interessiert, und immer wenn ich wieder in mein Biotop zum Fotografieren ging war mit klar, ich kannte die Eltern der Brummer und Krabbler, denn im letzten Jahr war ich auch vor Ort und habe diese geknipst, bestimmt und in einem umfangreichen Dia-Archiv gesammelt.

    Schon ein flüchtiger Blick auf ein vorbeifliegendes Insekt ließ mich die Familie erkennen, ah ja... eine Schwebfliege, ich sehe es an dem Flug und an den kurzen Fühlern, dass es keine Biene ist, obgleich sie nahezu identisch aussieht. Natürlich hat es einen biologischen Sinn auszusehen wie eine Biene... man wird nicht so gerne gefressen... Oft sind die Lebewesen sehr unterschiedlich und doch sind sie verwandtschaftlich eng verbunden, oder sie sind sich zum verwechseln ähnlich, haben aber gar nichts miteinander zu tun.


    Eine sehr hübsche Hummelschwebfliege, man nennt diese Vortäuschung eines wehrhaften Tieres "Mimikry", es hat einfach den Zweck weniger oft von einem Vogel gefressen zu werden.

    Aus einer Schwebfliege wird eine Schwebfliege und aus einer Maus eine Maus... und doch gibt es einen langsamen Wandel...

    Die dem Thread zugrundeliegende Besonderheit der südamerikanischen Fisch-Fauna, nämlich dass es so unglaublich viele sehr ähnliche Arten gibt, dass in einer Population Diskusfische auf den ersten Blick alle Individuen unterschiedlich aussehen, dass es nahezu fließende Übergänge von Corydoras-Arten gibt ist schon ein Phänomen, dass mich in Erstaunen versetzt. Warum sehen nicht alle Zebras etwas anders aus? Also so richtig individuell, mal mit Punkten, oder unterbrochenen Linien? Das hat natürlich alles seinen Grund, möglicherweise auch in den Flüssen des Amazoniens. Ich kann es nur nicht erkennen, und deshalb ist es reizvoll sich mal darüber Gedanken zu machen.

    Ich hole dazu etwas aus... auch für die, die nicht so im Thema stecken...

    Die Art wird als kleinste Einheit in der Systematik gehandelt und "meine Lieblingsdefinition" ist in einfachen eigenen Worten wiedergegeben:

    Eine Art ist eine Fortpflanzungsgemeinschaft, die miteinander Nachkommen in die Welt setzt, die wiederum miteinander fertil sind, also gesunde und fortpflanzungsfähige Nachkommen miteinander haben können.


    Warum ist das so? Na ja, es macht einfach Sinn, wenn ein Organismus in eine Welt geboren wird, auf die er gut passt und in ihr zu recht kommt. Da ist es günstig einen Bauplan zu haben, der bestimmte Merkmale berücksichtigt, die für ein künftiges Überleben in der zu erwartenden Umwelt hilfreich sind. Andere Konzepte sprechen über Kladen und betrachten nicht nur die lebenden Exemplare, sondern auch die Ahnen, bis zu dem Punkt der Trennung mit gemeinsamen Vorfahren einer Schwesterart.

    Dieser Bauplan ist in der Genetik versteckt, die Informationen sind auf der DNA codiert, die sich zu sogenannten Chromosomen verdichten kann, um transportabel zu sein. Der Transport der Erbinformationen ist bei der Zellteilung essentiell und die Zellteilung zur Vererbung dieser Merkmale über die Keimzellen speziell, da dies mit einem "einfachen Chromosomensatz" geschieht, der bei der Keimzellreifung (Samen und Eizelle) erst einmal hergestellt werden muss. (Trennung homologer Chromosomenpaare)

    Bei der geschlechtlichen Vermehrung müssen die Keimzellen der Geschlechter ihren doppelt angelegten Chromosomensatz halbieren, damit sie nach der Verschmelzung der Gameten nicht eine Verdoppelung des Erbgutes verzeichnen.

    Für den Interessierten hier ein kleiner Einschub zum Thema haploid, diploid, polyploid.

    Das Wirbeltiergenom (um dabei zu bleiben) zeichnet sich in der Regel durch einen "diploiden" Chromosomensatz aus. Was bedeutet das?

    Das Genom einer jeden Zelle der Wirbeltiere liegt im Zellkern in Chromosomenform in doppelter Ausführung vor.

    Am besten kann man es sich wie zwei Hände vorstellen, das Genom umfasst dann insgesamt 10 Chromosomen, jeweils zwei "Daumen", zwei "Zeigefinger" und so weiter. Es gibt also zwei Chromosomen Nr. 1, zwei Chromosomen Nr. 2 usw.... insgesamt 5 Chromosomenpaare in dem Beispiel.

    Nahezu jedes Merkmal ist auf zwei gleichen Chromosomen vorhanden, also kann z.B. kann die Augenfarbe auf beiden "Daumen" codiert sein, sich aber in der Ausprägung bei beiden unterscheiden. Auf dem einen Daumen ist die Augenfarbe "blau", auf dem anderen Daumen ist die Augenfarbe "braun" angelegt. (heterozygot !), wären beide Merkmale gleich, wäre das Individuum "homozygot" = reinerbig in diesem einen Merkmal)

    Diploid bedeutet also auch, dass jedes Merkmal zwei Mal angelegt ist.

    Um das genetische Material neu zu kombinieren (was der Sinn der sexuellen Vermehrung ist) werden die beiden homologen Chromosomen bei der Reifeteilung der Ei und Samenzellen getrennt und der Chromosomensatz zu gleichen Teilen auf die Tochterzellen verteilt, die dann nur noch einen einfachen Chromosomensatz beinhalten. (Den ersten Teil der Reifeteilung habe ich der Einfachheit halber weggelassen... ) Diese nennt man dann "haploid". So ist dann die Information "blaue Augen" in der einen Keimzelle, die mit "braunen Augen" in der Anderen und bei der Verschmelzung der Keimzellgenome entsteht wieder ein diploider Chromosomensatz in neuer Kombination.

    Dieser Prozess der Reduktion (wie der ganze Prozess der Zellteilung) ist nicht ganz frei von Fehlerquellen.

    Um die Chromosomen zu trennen bedient sich die Zelle einer inneren Skelettstruktur, den Mikrotubuli, die für Transportvorgänge in der Zelle genutzt werden. Es bildet sich eine "Kernspindel" zu den gegensätzlichen Polen der Zelle hin, an der die Chromosomen aus der Teilungsebene in die jeweilige Ecke transportiert werden.

    Dabei kann schon mal etwas schief laufen und die Trennung nicht richtig vollzogen werden, so dass ungleiche Zellen entstehen, also mehr oder weniger Chromosomen beinhalten, als es normal der Fall ist.

    Beispiele sind die Fälle von Trisomie, in denen ein Chromosom nach der Befruchtung dreifach vorhanden ist (Trisomie 21 z.B.)

    Die Trennung kann aber auch komplett ausbleiben, so dass sich der Chromosomensatz verdoppelt.

    Tiere mit solchen Genomen nennt man polyploid. In der Regel sind solche Genommutationen nachteilig und führen meist nicht zu lebensfähigen Individuen, aber nicht immer.

    So kann es kommen, dass von einer Generation zur Nächsten Individuen einer Population nicht mehr fertil miteinander sind, wohl aber mit ebenso polyploiden Individuen der Population.



    Hier sieht man in einer Antikörper-Fluoreszenzfärbung der Mikrotubuli wie sich der Spindelapparat in der Peripherie der Zelle eine Verankerung realisiert und sich die helle Spindel (starke Konzentration des Fluoreszenzfarbstoffes) zur Teilungsebene ausgerichtet hat. An dieser Struktur werden die Chromosomen zu den Polen transportiert


    Ein gutes Beispiel für diese Art-Abgrenzung ist das Maultier. Es ist die lebensfähige Mischung aus Pferd und Esel, die sich allerdings in der Anzahl der Chromosomen unterscheiden. Die Einen haben 60 Chromosomen, die Anderen 66..., das fertige Maultier hat dann 63 Chromosomen. Bei der Reifeteilung müssen die wieder halbiert werden, was eben nicht einfach ist und in nahezu 100% zu beschädigten Ei und Samenzellen führt. Na, in der Natur gibt es keine 100% und so kann es sein, dass doch mal ein Ei entwicklungsfähig ist, von fertil im herkömmlichen Sinne kann aber nicht die Rede sein.

    Ich finde diese Hürde sehr schick, weil sie eine ziemlich klare Grenze darstellt.

    Also hat sich eine Art lange genug unter gleichen Individuen genetisch ausgetauscht, dass diese Population zusammen die Anpassungen an einen bestimmten Lebensraum durchlaufen haben und sich von möglichen Nachbarpopulationen deutlich in dem Genom unterscheiden, dass es nicht mehr zur Vermischung kommt.

    Es wird hier gleich klar, dass zwei Voraussetzungen nötig sind. Eine wie auch immer geartete Trennung und vor allem Zeit. Man spricht in diesem Kontext bei räumlicher Trennung auch von allopatrischer Artbildung. Das Beispiel von Krähe und Nebelkrähe ist sehr beliebt, eine Population wurde durch die Eiszeit geographisch geteilt und die beiden Gruppen entwickelten sich divergent. Heute leben sie wieder in einem Lebensraum nebeneinander, verpaaren sich aber nicht mehr.

    Nun sieht ein Esel anders aus als ein Pferd und das hat genau die Chromosomen als Hintergrund.

    Auf ihnen sind alle Merkmale, der gesamte Bauplan der jeweiligen Tiere gespeichert, wie sie aussehen, was sie können, was sie brauchen. Jede nachhaltige Veränderung findet durch Mutation in den Genen statt. Wenn also der eine Apistogramma mehr rot in den Flossen hat, so ist das auf eine Veränderung in den betreffenden Genen zurückzuführen. Ob das Rot einen Vorteil hat, oder eine Laune der Natur ist wissen wir nicht.

    Mutationen im Erbgut laufen konstant ab, sie sind zunächst nicht zielgerichtet, aber sie führen zu einer verdeckten Pluralität des Genoms.

    gleich gehts weiter, mein Beitrag hatte ehr als 10000 Zeichen...