Hi zusammen,
leider geriet ja gestern eine Threaddiskussion total aus dem guten Umgangston und wurde deshalb von den Betreibern des Forums einfach gelöscht, was ich persönlich sehr schade fand, da auch einige positive Fakten darin enthalten waren und dem Threaderöffner nun auch nicht mehr geholfen werden kann. Eine Abtrennung der abschweifenden Diskussion oder ein einfaches Schliessen hätte es sicher auch getan. Nun gut, mir gehört das Forum nicht und die Betreiber müssen selbst wissen, in welcher Form sie zensieren.
Ich habe jetzt diesen Thread neueröffnet, um auf ein paar offene Fragen noch eine sachliche Antwort geben zu können und damit hoffentlich die Grundlage für eine vernüntige Diskussion zu legen.
Der Streitpunkt gestern war ja mehr oder weniger meine Aussage, dass brutpflegende Fische diese Brutpflege nicht erst erlernen müssen, sondern diese Eigenschaften genetisch fest fixiert sind und auch schon die ersten Gelege bei passenden Hälterungsbedingungen erfolgreich aufgezogen werden. Weiterhin behauptete ich, dass dies auch mit völlig wahllos zusammengesetzten Paaren funktioniert.
Als Gegenargument kam dann der Einwand, dass dies nicht so wäre und auch die Brutpflege erlernt werden muss, wobei es zusätzlich noch Unterschiede zwischen Zwergcichliden und Großcichliden geben würde.
Punkt 1: Muss die Brutpflege "erlernt" werden?
Ich behaupte NEIN, da dies biologisch völlig unsinnig wäre. Worin soll denn der Sinn liegen, Tiere einen ganz normalen Fortpflanzungstrieb erst erlernen zu lassen? Bei deren Vermehrung geht es nur um ein Ziel: die Erhaltung der eigenen Art, was aber eigentlich nicht ganz korrekt ist, da die Erhaltung bzw. Weitergabe des eigenen GENPOOLS korrekter ist (deshalb fressen z.B. auch Tiere artgleiche Nachkommen wenn es nicht ihre persönlichen Nachkommen sind). Für Lernexperimente ist überhaupt keinen Spielraum vorgesehen, da es in der Natur immer auf ein optimales Aufwand/Nutzen-Prinzip ankommt. Dies bedeutet, dass unnötige Prozesse keinen Platz haben.
Diese Mechanismen sind bei allen brutpflegenden Arten fest vorhanden und werden auch von Generation zu Generation weitervererbt.
Ich streite auch keinesfalls ab, dass Fische lernen können. Das hat aber mit angeborenen Instinkten überhaupt nichts zu tun. Bei Lernprozessen reagieren die Fische lediglich auf vorherrschende oder veränderte Bedingungen und passen wenn möglich ihr Verhalten danach an. Bei meinen ZBB klappt auch nicht immer der erste Versuch mit der erfolgreichen Aufzucht, obwohl meiner Meinung nach ideale Zuchtbedingungen vorherrschen. Manchmal habe ich nach zig erfolglosen Versuchen bei irgendwelchen Paaren, dieses Paar einfach ins Nachbaraquarium gesetzt und es klappte sofort. Oder ein Paar M. ramirezi, welches auf Anhieb Junge führte und sogar Etagenzuchten (3 Generationen gleichzeitig gepflegt) praktiezierte, war nach dem Umsetzen in ein anderes Aquarium dann wie ausgewechselt und frass jedes Gelege auf.
Sicher lernen die Fische auch auf störende Faktoren zu reagieren, indem sie diese Störfaktoren entweder akzeptieren und nicht mehr als Gefahr einstufen oder indem sie ihr Verhalten ändern, indem sie z.B. ein anderes Versteck wählen oder statt einem Stein als Laichplatz eine große Wurzel oder die Bodenscheibe als Laichplatz aussuchen.
Diese Lernprozesse sind aber lediglich eine Folgeerscheinung der Hälterungsbedingungen und haben mit dem erst nötigen Erlernen der Brutpflege nichts gemeinsam.
Punkt 2: Unterschiede Zwerg-/Großcichliden
Im geschlossenen Thread ging der Streit hierbei im Grunde um die Aussage, dass das willkürliche zusammensetzen von Paaren bei ZBB funktionieren kann, bei Grocichliden aber eine zwingende Partnersuche aus einer Gruppe von Jungtieren erfolgen muss.
Auch hier bin ich anderer Meinung, da diese Variante bei Fischen biologoisch nicht sinnvoll wäre.
Ich streite keineswegs ab, dass es gewisse Vorteile hat, wenn sich die Paare selbst finden können, da man damit zum einen auch garantiert ein Paar hat und dieses in diesem Moment auch gemeinsam laichbereit ist.
Das Problem bei den Großcichliden ist in meinen Augen viel mehr der Umstand, dass diese Fische wesentlich mehr Platz (Revieranspruch, Fluchtdistanz, Sichtverhältnisse im Biotop) benötigen als kleinbleibende Arten, denen gleichgroße Territorien viel zu viel Energie kosten würden.
Ist bei ZBB meist schon bei Distanzen unter 50 cm Schluss mit der Revierverteidigung und dem Verfolgen von "Eindringlingen" (was auch paarungsbereite Artgenossen sein können), welche sich in ZBB-typischen Aquarien wie in der Natur zudem noch meist gut verstecken können, so sieht dies bei Großcichliden doch ganz anders aus.
Hand aufs Herz - welcher Pfleger der großen Brocken kann denn seinen Fischen schon Aquarien mit entsprechend großen Territorien bieten? Das Paarfinden aus einer Gruppe heraus ist in diesem Falle also nur das Ergebnis der Umgebung (=Hälterungsbedingungen).
Ich hatte selbst auch schon Großcichliden gepflegt und nachgezogen (nicht die gaaaaaanz Großen, aber mit Blaupunktbuntbarschen und verschiedenen Thorichtys immerhin ein paar Vertreter) und weiss deshalb, dass sich auch die selbstgefundenen und gut harmonisierenden Paare enorm in die Haare bekommen können, was bei zu kleinen Aquarien dann durchaus mit dem Tod des unterlegenen Tieres enden kann. Auch dies ist eine Folge der Hälterungsbedingungen.
Ansonsten kann ich, was das angeborene Brutpflegeverhalten betrifft, keine wesentlichen Unterschiede zwischen den großen und kleinen Cichliden erkennen.
Ich hoffe mit diesen Zeilen die Grundlage für eine Diskussion auf sachlicher Ebene gelegt zu haben und freue mich auf rege Teilnahme.
MfG
Thomas
Edit: als Literatur zum thema empfehle ich "Fortpflanzungsbiologie der Aquarienfische" und "Verhalten der Aquarienfische" aus dem BSV-Verlag